SorrDer ehemalige Friedhof einer protestantischen Stadtgemein

Ein Münzgewicht aus Antwerpen und ein trepanierter Schädel in Frankfurt (Oder)

Schachtungsarbeiten im Innenhof des ehemaligen Gefängnisses in Frankfurt (Oder) waren der Grund, kurzfristig und schnell eine Grabung auf ca. 35 m² durchzuführen. Das Gebäude Collegienstraße 4 beinhaltet im östlichen Flügel zur Oder hin einen Bau des 14. Jahrhunderts ein. Der Westflügel zum Chor der Nikolaikirche hin datiert dagegen erst in das 19. Jahrhundert. Es war nicht vorauszusehen, dass auf der geringen Fläche dazwischen zahlreiche freigelegt und dokumentiert werden mussten, dazu kamen noch sechs Gruben spätbronzezeitlicher oder früheisenzeitlicher Zeitstellung.

Die Gräber datieren ausweislich der Funde in den Verfüllungen in das 17./18. Jahrhundert. Nach einer Ordre durch den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. wurde der Friedhof der Nikolaikirche, zu dem die Bestattungen sicher gehören, 1728 geschlossen.

Es wurde ein etwa 6 m langer Abschnitt zweier recht deutlich getrennter nord-süd-ausgerichteter Grabreihen ergraben. Diese erbrachten in bis zu fünf Lagen übereinander insgesamt 78 Bestattungen (Plan). Nicht alle Gräber wurden voll untersucht, da im Zentrum der Fläche eine Regenwasserleitung querte, in dort verbleiben musste und unter der daher nicht gegraben werden konnte. Die östliche Grabreihe markiert den Rand des Friedhofs, da die Gräber unmittelbar Grundmauern des schon seit dem 14. Jahrhundert bestehenden Vorgängerbau des Ostflügels stoßen.

Es handelt sich bei allen Bestattungen um Körpergräber mit Särgen, die nach christlicher Tradition mit dem Kopf nach Westen angelegt waren. Ein einzelnes Grab östlichen Rand war in Nord-Süd-Richtung angelegt. Es kann jetzt schon festgehalten werden, dass nur sehr wenige Individuen nicht erwachsen waren.

Beigaben im eigentlichen Sinne fehlen weitgehend. Ein Fund muss jedoch besonders hervorgehoben werden: Auf der Brust der 40-60 Jahre alten Frau Bef. 14 lag ein 1,1 x 1,1 cm kleines Metallplättchen, das auf einer Seite mit Buchstaben und auf der anderen Seite mit einer bildlichen Darstellung versehen war (Bild 1). Es handelt sich dabei um ein Münzgewicht aus Messing, dessen Herkunft genau zu ermitteln ist. Das Münzgewicht stammt aus Antwerpen und wurde dort von „N. du Mont“ hergestellt. Auf der Rückseite des Gewichts stehen seine Initialen (NdM) unter einer offenen Hand, die das Zeichen für Produkte aus Antwerpen war. Rechts und links der Hand finden sich die Zahlen acht und null, was eine Herstellung im Jahre 1580 anzeigt. Auf der Vorderseite ist eine Person in hockender Haltung dargestellt, die in der rechten Hand eine Art Speer hält und mit einem kurzen Rock bekleidet ist. Auf dem Kopf ist ein Helm zu erkennen, im Hintergrund ein Tor mit Gitter. Möglicherweise ist das die Darstellung eines Stadtwächters. Ein ähnliches Motiv findet sich auch auf den Münzgewichten des Antwerpener Herstellers Cornelis Janssen.

Das Grab mit dem Münzgewicht gehört zur stratigrafisch jüngsten Lage. Es dürfte also erst im 1. Viertel des 18. Jahrhunderts angelegt worden sein. Das Gewicht war da schon fast 150 Jahre alt. Die lange Nutzungsdauer solcher Münzgewichte ist allerdings nicht ungewöhn-lich. Spannender ist die Frage, wie es in das Grab gekommen ist. Eine gezielte Niederlegung scheint naheliegend. War es eine Art Erbstück? Sekundär in der Kleidung vernäht? Oder wollten uns die Nachkommen etwas damit sagen?

In jedem Falle zeigt das Antwerpener Münzgewicht die weitreichenden Handelsbeziehungen im Frankfurt (Oder) der frühen Neuzeit sehr plastisch, auch wenn es auf verschlungenen Wegen an die Oder gelangt sein mag.

Eine anthropologische Bearbeitung der Skelette ist noch nicht erfolgt. Jedoch soll auch hier ein erwähnenswerter Befund vorab genannt sein. Am Schädel eines erwachsenen Mannes, ebenfalls in stratigrafisch jüngster Lage und unmittelbar benachbart der Frau mit dem Münzgewicht ließ sich eine Trepanation nachweisen (Bild 2). Im hinteren Bereich des linken Scheitelsbein befand sich eine Öffnung, die trichterförmig von außen nach innen verlief und im Zentrum ein Loch mit einem Durchmesser von ca. 0,5 cm offen ließ. Der Schädelknochen ist hier mittels einer Schabetechnik geöffnet worden. Dabei ist ein kleines Fragment der Tabula interna abgesprengt worden. Dieses ist allerdings wieder verwachsen, wie auch die gesamte Operationswunde gut verheilt ist.

Trepanationen sind äußerst selten und wurden wegen der Verletzung der Hirnhaut oder wegen der meist folgenden Entzündungen oft nicht überlebt. Der Frankfurter Patient hatte En-de des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts viel Glück. Ob der Eingriff wirklich geholfen hat, darf aber bezweifelt werden.

Autor: O. Ungerath M. A. (Wurzel Archäologie GmbH)

Abbildungen: Wurzel Archäologie GmbH, Stahnsdorf

Literatur: